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Sicherlich haben Sie in den vergangenen Wochen mehr als genug zu dem Corona-Virus und seinen gesundheitlichen sowie wirtschaftlichen Auswirkungen gelesen. Wahrscheinlich aber wenig/nichts zu dessen Auswirkung auf Rechtsbeziehungen. Derzeit werden zahlreiche Veranstaltungen, insbesondere Messen abgesagt bzw. auf einen noch nicht bestimmten Zeitpunkt verlegt. Welche rechtlichen Konsequenzen hat es, wenn ein Vertragspartner (z.B. Messeveranstalter oder Aussteller) den geschlossenen Vertrag mit Hinweis auf “Corona” nicht mehr erfüllen kann oder will? Ist das so einfach möglich? Bietet Corona nun ein Schlupfloch, um aus unliebsamen Verträgen herauszukommen? Ohne zumindest Schadensersatz oder eine Stornogebühr zahlen zu müssen?

WIe so oft in der Juristerei lautet die Antwort: Es hängt davon ab.

Soviel kurz zusammengefasst vorab:

Bei behördlichem Verbot einer Veranstaltung entfallen die beiderseitigen Verpflichtungen, ohne dass Schadensersatz zu leisten ist.

Das bedeutet, dass nicht nur der Veranstalter von seiner Pflicht, die Veranstaltung durchzuführen, entbunden ist, sondern auch die Besucher einen Anspruch auf Rückzahlung der Ticketkosten (insofern unzutreffend die vom Hamburger Abendblatt veröffentlichte Ansicht eines ehemaligen Verwaltungsrechtsprofessors!) sowie Aussteller auf Rückzahlung der Ausstellungsgebühren haben.

Bei vorsorglicher Absage einer Veranstaltung aufgrund unzumutbarer Auflagen gilt das ebenfalls. Sofern die Veranstaltung verschoben werden kann, bleiben die Leistungspflichten jedoch grundsätzlich bestehen, der Leistungszeitraum wird lediglich verlegt.

Bei Absage einer privaten Veranstaltung aufgrund Corona-Erkrankung des/r Veranstalter*in bleiben die Zahlungspflichten gegenüber den Dienstleistern (Catering, Servicepersonal, Mietmöbel) bzw. dem gebuchten Restaurant bestehen.

1. Sperrung des Messegeländes oder behördliches Veranstaltungsverbot

Würde – was derzeit (Stand 05.03.2020) allerdings noch nicht der Fall ist – ein Veranstaltungsgelände allein oder als Teil eines größeren Gebietes unter Quarantäne gestellt bzw. wäre nicht mehr zugänglich, so läge ein Fall der sog. Unmöglichkeit (§ 275 BGB) vor. Dem Veranstalter  wäre die Leistung dann aus rechtlichen Gründen nicht möglich, er wäre von seiner Leistungspflicht frei. Gleiches gilt bei einem behördlichen Verbot einer konkreten Veranstaltung. Der Veranstalter könnte in diesem Fall aufgrund der behördlichen Anweisung die Messe nicht veranstalten. Er wäre auch hier von seiner Leistungspflicht frei. In beiden Konstellationen würden im Gegenzug auch die ausstellenden Firmen von ihren Leistungs- also Zahlungspflichten frei, müssten also insbesondere keine Standgebühren zahlen bzw. hätten einen Erstattungsanspruch hinsichtlich ggf. bereits gezahlter Gebühren.

Hinsichtlich der Verträge mit Zulieferern (Messebauer, Mietmöbelanbieter. sonstige Dienstleister) wäre ebenfalls Unmöglichkeit anzunehmen, da die geschuldete Leistung nicht an dem bestimmten Leistungsort (Messegelände/-stand) erbracht werden könnte.

Nicht ohne weiteres könnten auch Hotelbuchungen mit dem Hinweis auf den Ausfall der Veranstaltung storniert werden. Dieses wird man wohl nur bejahen können, wenn es sich um ein ausdrücklich vereinbartes “Messepaket” (o.ä.) handelte. Da die Veranstaltung nicht stattfindet, ist auch das der vereinbarte Leistungszweck nicht mehr erreichbar. SIehe unten unter 3.  Reisekosten.

2. Eigenverantwortliche Absage durch Veranstalter

Schwieriger ist die Frage zu beantworten, wenn der Veranstalter eigenständig die Veranstaltung absagt und ggf. auf einen noch zu bestimmenden späteren Termin verschiebt. Im Unterschied zu den obigen Ausführungen folgt der Veranstalter keiner Pflicht. Es ist insofern von Bedeutung, ob der Veranstalter sich in diesen Fällen schadensersatzpflichtig macht. Das wird man wohl dann verneinen müssen, wenn der Veranstalter die Veranstaltung  absagt, weil ihm aufgrund behördlich auferlegter Pflichten ein unzumutbar großer Aufwand entstehen würde (z.B. Kontrolle der Besucher/Aussteller bzgl. Herkunft aus Risikogebieten bwz. auf Kontakt zu Personen aus Risikogebieten wie im Fall der ITB in Berlin).

Meines Erachtens liegt in diesen Fällen keine sog. Unmöglichkeit vor, sondern der – sehr seltene Fall – des sog.Wegfalls der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB. Der Veranstalter könnte leisten, es ist ihm aber aufgrund einer schwerwiegenden Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss nicht zumutbar, die Leistung zu erbringen. Entscheidend ist dabei, dass die Möglichkeit der Durchführung der Messe von vornherein Vertragsgrundlage war. Und dass die Veränderung der Umstände nicht in die Sphäre nur einer der Vertragsparteien fällt. So begründet z.B. eine eigene Erkrankung keinen Wegfall der Geschäftsgrundlage, gleiches gilt für die Absage einer Hochzeit wegen Trennung des Brautpaares. Hier liegt das Ereignis allein in der Sphäre des Auftraggebers/Veranstalters.

Das Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gilt bei den hier besprochenen Absagen von Messen/Veranstaltungen auch für die Verträge, die Aussteller mit Dritten im Hinblick auf die Messe geschlossen haben – vorausgesetzt, es war klar erkennbar, dass die Durchführung der Messe/Veranstaltung Grundlage für den jeweiligen Vertrag war. Das wird man für Messebauverträge, Mietmöbel, Personal, Anzeigenaufträge im Messejournal und ähnliches annehmen können.

Aber ACHTUNG: Der § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) sieht als erste Möglichkeit die Anpassung des Vertrages vor, § 313 Abs. 1 BGB. Nur wenn diese nicht zu einem angemessenen Ergebnis führt, besteht die Möglichkeit zum Rücktritt/zur Kündigung, § 313 Abs. 3 BGB. Das bedeutet für die Fälle, in denen eine Veranstaltung lediglich verschoben wird, dass zunächst eine Anpassung  bzgl. der Bestimmung des Leistungszeitraumes in Betracht kommt. Hierbei ist jedoch auf die Interessen beider Parteien Rücksicht zu nehmen. Es kann jedenfalls die benachteiligte Partei nicht einfach unter Berufung auf § 313 BGB von dem Vertrag zurücktreten. Denn es bleibt bei dem Grundsatz, dass Verträge bindend sind. Das Gesetz sieht nur in wenigen Fällen eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. Daher gibt es auch – entgegen landläufiger Meinung – kein gesetzliches Stornierungsrecht (nicht zu verwechseln mit dem Widerrufsrecht!). Und daher ist auch § 313 BGB eng auszulegen, denn der Gesetzgeber wollte mit ihm kein Schlupfloch bieten.

3. Reisekosten

Etwas anders sieht es mit den anlässlich der Teilnahme an einer Messe/Veranstaltung entstandenen Reisekosten aus. Diese hat der/die Reisende grundsätzlich selbst zu tragen. Etwas anderes gilt in folgenden Fällen:

  1. Die Reise umfasste ausdrücklich die in Rede stehende Veranstaltung (Komplettpaket “Anreise, mit/ohneHotel, Besuch Veranstaltung”).In diesem Fall läge ebenfalls Unmöglichkeit vor, so dass die/der Reisende von der Leistung frei würde.
  2. War die Teilnahme an der Veranstaltung nicht im Vertrag genannt, jedoch für beide Vertragsseiten deutlich erkennbar Geschäftsgrundlage (z.B. Buchung einer Shuttle-Fahrt mit Ziel “Veranstaltung X”), dann greifen grds. die o.g. Grundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage, wenn die Veranstaltung ausfällt.

Gegenüber dem Veranstalter käme ein Anspruch auf Erstattung der Reisekosten nur in Betracht, wenn dieser die Absage der Veranstaltung zu vertreten hätte. Das ist nicht der Fall, wenn er zur Absage behördlich verpflichtet wurde oder die Absage zur Vermeidung von Ansteckungsrisiken dringend zu empfehlen war. In diesen Fällen hat der Veranstalter nämlich keine Sorgfaltspflichten verletzt und mithin nicht fahrlässig, geschweige denn vorsätzlich gehandelt, so dass ihn kein Verschulden trifft. Wird hingegen eine Veranstaltung abgesagt, ohne dass hierzu ein hinreichender Grund bestand, macht sich der Veranstalter schadensersatzpflichtig und hat die den Teilnehmern entstandenen Kosten zu erstatten.

Meine vorstehenden Ausführungen können nur einen Überblick auf die grundsätzlichen Rechtsfragen im HInblick auf die Absage von Veranstaltungen unter Hinweis auf das Corona Virus geben. Es kommt letztlich aber immer auf den Einzelfall an. Sollten auch Sie von der Absage einer Veranstaltung betroffen sein und hierzu Rechtsrat wünschen, berate ich Sie gern dazu.

Kathrin-E. Commandeur